Das
prächtige Bürohaus ensteht auf einem Grundstück, dessen Geschichte
vielleicht nicht ganz klar ist. Noch ein paar Jahre früher stand
hier eine Mietskaserne aus dem Jahr 1924. (Ogrodowa Office, Lodsch,
Polen: Mein eigenes Bild)
Ab und
zu kann die Hakenkreuzler-Presse als eine irgendwie glaubwürdige
Urkunde seiner Zeit benutzt werden. Dazu ist
selbstverständlicherweise die Quellenkritik benötigt. Die in dem
Zeitraum 1940-45 auf deutscher Sprache in Łódź (deutsches Name:
Lodz, Lodsch) erscheinender Besatzer-Tageblatt „Litzmannstaedter
Zeitung” war hauptsächlich für Polendeutschen bestimmt. Neben
einer genzen Menge an geradezu grauenvoller Nazi-Propaganda enthielt
er auch eine Anzahl von Beiträgen zu wirtschaftlichen Themen, die
natürlich auf Tatsachen basieren mussten.
Weil
ich die NS-Presse nicht ohne weiteres anzuführen möchte, zuerst ein
paar Worte Kommentar
Im
Königreich Preußen trat die Grundbuchordnung 1872 in Kraft, und auf
dem ehemaligen Hoheitsgebiet des Polnisch-Litauischen Reiches hatten
zu dieser Zeit die Teilungsmächte zu bestimmen. In Russisch-Polen
wurden nur sehr wenige Grundbücher angelegt – die Bürokratie des
Zarenreiches war wohl, bis auf die ottomanische, die unfähigste in
Europa. Es ist keine frei erfundene Propaganda, sondern der
historische Tatsachenbestand, dass die Rolle des Grundbuches als
eines öffentliches Registers, in welchem die Grundstücke, die
hiesigen Eigentumsverhältnisse und die damit verbundenen
finanziellen Belastungen verzeichnet sind, in der Zweiten Republik
Polen vollständig unterschätzt wurde. Nach diesem unbedingt nötigen
Vorwort nun ein paar wichtige Sätze aus der kritisch zu
beurteilenden Quelle:
„Mitte
November wurden dann auch das Deutsche Land- und Amtsgericht sowie
die Staatsanwaltschaft in Litzmannstadt eingerichtet. Nachdem diese
Justizbehörden zunächst kurze Zeit in den völlig unzulänglichen
Räumen des früheren Stadtgerichts in der Trommlerstraße 18
untergebracht waren, siedelten sie später in das Gebäude des
früheren polnischen Bezirksgerichts am Hindenburgplatz über.
Daß das
polnische Liegenschaftsrecht, das in dem hiesigen Bezirk galt, von
dem deutschen grundlegend abweicht – es bestand hier kein
Grundbuch, sondern nur ein nach ganz anderen Gesichtspunkten
angelegtes Hypothekenbuch, das keineswegs alle Grundstücke erfaßte
–, muß jetzt erst ein Grundbuch nach deutschem Recht neu angelegt
werden, eine Aufgabe, die um so schwieriger ist, als die
katastermäßigen Unterlagen hierfür fehlen. Die außerordentliche
Bedeutung dieser Arbeit für die ganze Neugestaltung des Raumes in
dem hiesigen Gebiet liegt auf der Hand.
Die
deutschen Treuhänder haben in der NS-Zeit fast gesamten polnischen
und jüdischen Besitz übernommen und für sich selbst sowie das
Dritte Reich skrupellos ausgenutzt („Litzmannstaedter Zeitung“,
24. Dez. 1940, S. 30). Die Einzelheiten bleiben bis heute weitgehend
unklar. (public domain)
Um den
laufenden Bedürfnissen des Grundstückverkehrs gerecht zu werden,
ist es notwendig, die Anlegung des deutschen Grundbuchs von Fall zu
Fall in der Weise vorzunehmen, daß sie jeweils bei den Grundstücken
erfolgt, zu denen Grundbucheintragungen beantragt werden. Die
Grundbuchanlegung wird im übrigen von den einzelnen Amtsgerichten
für ihren Bezirk durchgeführt.“
(Rechtspflege
in Litzmannstadt. Kurzer Überblick über den Aufbau der deutschen
Rechtspflege im hiesigen Bezirk,
„Litzmannstaedter Zeitung“, 26. Juni 1940, S. 5)
Die
Grundbücher-Eintragungen aus der NS-Zeit waren selbstverständlich
nur insofern verlässlich, wie sie sein mussten
Mehr als
vier Jahre lang wurden insbesondere die Zeugnisse des jüdischen (im
Begriff der Nürnberger Gesetze) Besitzstandes penibel ausradiert.
Die ehemaligen polnischen Besitzer wurden vor diesem Hintergrund ein
bisschen priviligiert. Nach der Beschlagnahmung ihres Vermögens
bekamen sie dafür in der Regel eine entsprechende, genaue Urkunde
und… keinen lumpigen Pfennig Entschädigung.
Die
Fortsetzung folgte…
Die
Grund- und Gebäudebücher wurden in der Volksrepublik Polen
übernommen und seit 1947, aber mehr tatkräftig seit 1964,
fortgeführt. Die Staats- und Parteiführung wünschte sich
angesichts der immer größer angelegten Industrie- und
Wohnungsbau-Investitionen in diesem Bereich etwas Klarheit zu
schaffen. Auch mit Hinsicht auf die mit Vereingten Staaten von
Amerika vereinbarten Entschädigungen an US-amerikanische Bürger
(mehr darüber bei dem nächsten Aufsatz aus dieser Reihe).
Nach
der Wende wurde das Werk (seit 1991) im beschleunigten Tempo
fortgesetzt
Zu
dieser Zeit ergab sich für die Betroffenen der Banditenpolitik zwei
totalitärer Regime seit 1939 erstmalig die Möglichkeit, ihre
vermögensrechtlichen Ansprüche auf dem Gebiet der Republik Polen
verfolgen zu können. Der Antragsprinzip wurde damals als ein der
Eintragungsprinzipien erlaubt.
Weitere
Mietskasernen in Lodscher Innenstadt, abbruchreif: Wer waren einst
ihre Besitzer? Man macht gute Geschäfte und niemand soll mehr wissen
als gut ist. (Mein eigenes Bild)
In der
Zeit von 1995 bis 2010 wurde ein Großteil der polnischen
Grundbuchämter auf elektronische Grundbuchführung umgestellt. Noch
nicht alle Papiergrundbücher wurden dabei in digitalisierte Form
überführt.
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