Seine Fernsehfilme waren Meisterwerke der Filmkunst. In der Fernsehserie Die Vierzigjährigen (Czterdziestolatek) hat er das Bild eines durchschnittlichen Polen, des außergewöhnlich zuverlässigen Fachmanns und Freundes, vorbildlichen Familienvaters und (etwas weniger) vorbildlichen Ehemannes, wohl für sehr, sehr lange verewigt. Auf dem Bild: der Hauptrolle-Darsteller mit seiner Filmfamilie, mit welcher er für die nächsten Jahrzehnte seines wirklichen Lebens die starken freundschaftlichen Bände knüpfte.
(Das Bildfenster aus dem YouTube-Wideo Czterdziestolatek, odcinek 15)
Übrigens, wir sehen hier eine Flasche Schnaps auf dem Tisch und dies geschieht nicht ohne Grund; das ist der 41. Geburtstag des frisch gebackenen VEB-Direktors. Das gute polnische Wodka (wenn nur ab und zu verbraucht, hinterlässt es keine schädliche Spuren im Organismus, und ist auch heute eine der besten Exportwaren des Landes am Weichsel) trank der Ingenieur nur ein paar Male im Jahr, zwei bis drei kleine Gläser. Die Kinder bekamen selbstverständlich nur erfrischende Getränke. Es gibt kein Grund deswegen Haß oder Verachtung (wie einst in Großbritannien) gegen die Slawen zu schüren, denn eine Minderheit an richtigen Trinkern gibt’s doch bei jedem Volk.
Jerzy Gruza alias Pawel Binke starb vor ein paar Tagen infolge eines banalen Unfalls. Er war 87 Jahre lang. Im vergangenen Jahr hat er noch einen Film gedreht. Es sollte sein letzter sein.
Der erstaunliche Lebenslauf
In Warschau geboren wurde er bei der Schreckensherrschaft der mehr als fünf Jahre langen Besatzung Polens nicht in Mitleidenschaft gezogen. Rechtzeitig vor dem krummen Schicksal der polnischen Hauptstadt gerettet, verbrachte er die Kindheit zu Lande. Dann wohnte er und absolvierte sein Studium der Filmkunst in Lodsch, der informellen Hauptstadt Mittelpolens.
In den 1950ern Jahren kam er nach Warschau zurück. Dort kam er nach dem Fernsehsender und erklärte sofort: "Ich bin gekommen, weil ich das Fernsehen bewundere und zu schätzen weiß. Ich hab mich entschieden zu einem großen Filmregisseur zu werden!" So jedenfalls erinnert jetzt sein langjähriger Freund Jacek Fedorowicz.
Na ja, das Fernsehen war eine große Neuheit damals. Dazu kam, dass man ein paar Jahre lang das Geld sparen musste, um einen Fernsehempfänger zu kaufen. Dann aber konnte man alle Freunde und gute Nachbarn einladen, um gemeinsam, sozusagen, sehr fern zu sehen; die Nachrichten aus aller Welt, die erstaunenden exotischen Länder und Sitten... Dies alles wurde für einen durchschnittlichen Jan Kowalski zum ersten Mal zugänglich. Sein Vater hörte nur darüber, dank dem Rundfunk.
Der berufliche Laufbahn Binkes im Rahmen des „volkseigenen“ Fernsehens war nicht so steil gewesen, wie er träumte. Für die Staats- und Parteiführung war das Wunderwerk im Bereich Massenmedien vor allem als Werkzeug der „einzig richtigen“ Propaganda wichtig. Erst allmählich konnten sich die Leute am Staatssteuer überzeugen, wie mächtig gewaltig alle guten Fernsehserien sind.
Polen lebte unter Kommunismus, aber...
Es war unbedingt nötig auf Marxismus-Leninismus zu schwören, um einen guten Posten zu bekommen und etwas im Leben zu erreichen, kaum jemand aber glaubte wirklich an diese weltfremde Ideologie. Man lehnte sie ab, aber die Sozialhilfe für die alleinstehenden Mütter, die kostenlose Ausbildung, die Vollbeschäftigung sowie das ehrgeizige Wohnungsbau-Programm hat das polnische Volk mit offenen Armen willkommen. Unter dem Einfluss der weltberühmten Fernsehserie Simon Templar, die auch in der Volksrepublik Polen ausgestrahlt wurde, man lernte dies mit englischem Humor zu nehmen.
In dem Menschenalter seit dem Kriege bis 1975 waren in der polnischen Volkswirtschaft und Gesellschaft wahre Wunder geschehen
Dies erinnerte sogar an das italienische Wirtschaftswunder. Übrigens, die Staatsführung der VR Polen hat mit Italien eine ganz enge wirtschaftliche Zusammenarbeit angeknüpft. Dies wurde insbesondere im Bereich der Automobilindustrie geradezu augenfällig. Der Fiat 126, ein Kleinwagen des italienischen Kraftfahrzeugherstellers Fiat, war seit etwa 1975 bis 2005 fast überall in Polen zu sehen.
Inzwischen wurde Pawel Binke zum Regisseur der zwei Fernsehserien mit Kultstatus
Die erste war die 1965 erschienene populäre Komödienserie über die Warschauer Jugendlichen: Wojna domowa! (Der ungeklärte Bürgerkrieg zwischen alt und jung). Etwa zehn Jahre später die Serie Czterdziestolatek (deutsch Die Vierzigjährigen), die er zusammen mit Teodor Toeplitz geschafft hat, wurde bei dem polnischen Volk geradezu uferlos beliebt. Nur die britisch-italienische Fernsehserie Mondbasis Alpha 1 konnte dabei ebenbürtige Konkurrenz für Die Vierzigjährigen bilden.
Das besondere Merkmal der edlen Gestalt des Ingenieurs Stefan Karwowski, der Hauptfigur des Farbfilmes, war sein Kleinwagen Fiat 126P. Er besaß nur diesen kleinen, vergleichsweise preisgünstigen PKW, weil er mit Schmiergeld, das damals zu einer Landplage wurde, nichts zu tun haben wollte. „Es ist eine große Errungenschaft ehrlich zu bleiben!“, so sagte er in seiner Rede am Grab des verstorbenen Freundes. infolgedessen war Karwowski durch seine Kollegen aus der kommunistischen Nomenklatura nicht einmal richtig gemein behandelt.
Die 1970en Jahren waren auch in Polen eine wunderschöne Ära, doch nicht von jeder Bitternis frei. Hier muß der ehrliche Ingenieur zusammen mit seinem Kleinwagen geschildert, der Schwarzen Wolga der Nomenklatura-Leute aus dem Weg gehen. Derartige indirekte Kritik war unter dem gelinderten Kommunismus a la polacca erlaubt.
(ibidem)
Man lachte und mein weinte nicht einmal als man die Fernsehenserien von Binke sah
Dies galt auch für den Jugendklassiker Das Geheimnis des Steines, den er 1988 zusammen mit seinen deutschen Berufskollegen aus dem WDR in Schweden gedreht hat. Der Film erzählt von der großen Freundschaft der Teenagers aus ein paar verschiedenen Ländern und ihrem gemeinsamen Kampf für die gute Sache, der mit spannenden Szenen wie aus dem Wildwestfilm, und mit dem Sieg der Achse des Guten endet. So ebnete er die Bahn für weitere erfolgreiche deutsch-polnische Zusammenarbeit im Bereich Kinderserien, die bald zu Kinderklassiker wurden.
Nun beweinen ihn Millionen!
Das polnische Volk ist darüber im Klaren: Es war unser letzte große Filmregisseur! Die Rahmenbedingungen, unter denen wir seit 1990 leben müssen, haben dies an sich, dass die wirklich begabten Künstler niemand mit ein wenig Einfluss finden, um einige Türen zu öffnen. Dazu kommt, dass hier die Gesellschaft zunehmend verknebelt wird.
Im Licht der jetzigen Gesetzgebung, die theoretisch genommen gegen die Verherrlichung des totalitären Gedankengutes gerichtet ist, aber in Praxis autoritäre Züge hat, bangt man in Polen um die Meinungsfreiheit. Z. b. es stellt sich die Frage wie lange noch werden Versuche einer unparteiischen Beurteilung des Zeitalters der Volksrepublik Polen seitens der Behörden ungern geduldet werden? Dabei erinnern sich sehr viele Leute ausgerechnet auf diesen Zeitalter tränenselig.
Polen galt etwas in Europa, und niemand konnte das Land im öffentlichen internationalen Raum beleidigen und dabei auf Erfolg zählen. Man hat damals auch nationale Musik gehabt, anstatt der primitiven Überfremdung in diesem Bereich wie heute. Wenn sogar mit augenfälligen Wagnerianischen Zügen. Übrigens war der junge Karwowski, der Filmsohn des VEB-Direktors, ein großer Verehrer von Wagners Schaffen. Ein Gesang, ein Gestalt aus Den Vierzigjährigen.
Ganz anders als heutzutage! Derartige Beispiele kann man lange nennen. Unter diesen Umständen stimmt der Tod des großen Künstlers und des guten Mannes seine Landsleute nachdenklich. Es ist immer öfter zu hören: eines Tages wird die richtige Gelegenheit kommen, und wir werden alles daran setzen dass wir wieder ein normales Leben haben. Dann Punkt, aus und Ende Allende!
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