Saturday, January 11, 2020

Die ruhmreichen Tage der Journalisten in Russisch-Polen


Die Statue von Gutenberg an der Fassade des Bürohauses und jetzt auch Baudenkmals in der Petrykauer Straße (ulica Piotrkowska), wo Jan/Johann Petersilge, einer der angesehensten Lodzermenschen (Menschen der Stadt Lodz), wie sich einst die Bewohner von Lodsch (Łódź) mit Stolz nannten, gelebt und gearbeitet hat. In der Zwischenkriegszeit war in seinem Heim die Nationalpartei untergebracht, die eine ideologische Fortsetzung der Gedanken der Anhänger der organischen Arbeit und Positivisten darstellte. Der Gedanke der Nationaldemokratie wird derzeit von Jan Engelgard fortgesetzt.

Die besten Journalisten von Russisch-Polen waren aus der journalistischen Schule der hohen Arbeitsethik, des geordneten Denkens und Handelns von Petersilge hervorgegangen. Dank ihrer unermüdlichen Arbeit in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Kultur und Religion im Geiste des Positivismus sowie ihrer vorbildlichen bürgerlichen Haltung wurde Grundlage zur Wiedererlangung der polnischen Staatsunabhängigkeit 1918 geschaffen.

Sławomir Milejski - Praca własna. Łódź, kamienica J. Petersilgego, 1896. CC BY 3.0  File:SM Łódź Piotrkowska 86 2017 (1) ID 613240.jpg  Utworzony: 15 lipca 2017



Ein paar Worte zum Thema der epochemachenden Zeitung 


Am 6. Januar 1884 erschien die erste Ausgabe von „Dziennik Łódzki“ (Lodscher Tageblatt). Es zählte nur 4 Seiten. Im Laufe der Zeit wurde es 6 Seiten stark. Die erste Zeitung in Lodsch, die vollständig auf Polnisch veröffentlicht wurde, entstand aufgrund der Tatsache, dass die russische Teilungsmacht die weitere zweisprachige Veröffentlichung der „Gazeta Łódzka / Lodzer Zeitung“ untersagte. Im Zusammenhang damit bat der Herausgeber der "Lodzer Zeitung", Johann Petersilge, eine Gruppe seiner Journalisten, die für den polnischen Teil seiner Tageszeitung verantwortlich waren, so bald wie möglich ein polnisches Tageblatt zu gründen.


„Dziennik Łódzki” / Lodscher Tageblatt wurde dank der Unterstützung der Polendeutschen und einer Gruppe polonisierten Juden geschaffen


Die Polendeutschen, d. H. Nachkommen deutscher Siedler, die in dem sogenannten Kongreßpolen lebten, waren größtenteils polenfreundlich gesinnt. Dies lag hauptsächlich daran, dass sie frommen, an biblischen Geboten unerschüttert glaubenden Christen waren. Darüber hinaus waren sie als Plebejer von der Hochkultur des polnischen protestantischen Adels beeindruckt. Dies führte im Laufe der Zeit zu einem wachsenden Konflikt zwischen dieser Volksgruppe und dem Deutschen Reich, das vom Chauvinismus oder heidnischen Nationalismus beherrscht wurde, und zu einer immer klarer gewordenen Identifizierung mit Polen seitens der Polendeutschen. Es entstand unter ihnen die Polonisierer-Bewegung, die Polnisch in die evangelische Kirche und nach eigenem Hause einführten.


Wie geht aus dieser Anzeige hervor, wurden in Lodsch, in einer der ersten Ausgaben von "Dziennik Łódzki" Polnisch und Deutsch gleichzeitig verwendet. Viele einheimischen Deutsche beherrschten Polnisch und ein gebildeter Pole sprach gut Deutsch. Letzteres war eine gemeinsame Sprache in technischen, finanziellen, industriellen und kommerziellen Angelegenheiten. Freier Zugang - gemeinfrei

Innerhalb der jüdischen Minderheit gab es wiederum die Assimilationsbewegung, welche beeindruckt von den Errungenschaften der österreichisch-deutschen Hochkultur, die jiddische Sprache aufgab. Sie schämten sich der Stagnation ihrer eigenen Gemeinschaft, ihrer Gewohnheiten und ihrer Kleidung, die sich seit der Antike kaum verändert hatten, und versuchten diese zu modernisieren. Unter dem Einfluss von Polonisierern führten sie Polnisch in die Synagoge ein und beteten für das Wohlergehen des Landes, in dem sie lebten und ihr Lebensunterhalt verdienten. Einige Assimilationisten ließen sich taufen und nahmen die Befehle der christlichen Religion sehr ernst. Die Anderen betrachteten sich als Leute der jüdischen Glaube und polnischen Volkszugehörigkeit.


Die Lodzermenschen d. h. die Leute der Stadt Lodsch


So zu sagen; eine neue Menschenart: optimistisch, fröhlich, mit der erstaunlichen inneren Kraft erfüllt. Überzeugt, dass alles auch eine gute Seite hat, dass man doch wieder vorwärts gehen wird. Einen würdigen Ehrgeiz hatte er, der zu seinem Leitstern wurde und den er sein Leben lang nicht aus den Augen verlieren pflegte.


Wenn man beispielsweise eine Sitzung des Vorstands der Aktiengesellschaft in deutscher Sprache durchführen konnte, war es nicht erforderlich, Russisch zu sprechen, was den Partnern von polnischer Nationalität sehr gelegen kam. Ein zu diesen Zweck angeheuerter Baltendeutsche (er sprach seinerseits seit der Kindheit fließend Deutsch und Russisch) bereitete die Anträge und Begründungen vor, die erforderlich waren, um nach dem Treffen einige Genehmigungen oder Erlaubnisse von den zaristischen Behörden zu erhalten. Auf die Frage nach ihre Nationalität antwortete ein Lodscher stolz und klug zugleich: Menschen der Stadt Lodz (Lodzermenschen). Aus den Seiten der "Lodzer Zeitung". Freier Zugang - gemeinfrei


Beide Bewegungen wurden von der polnischen Gesellschaft begrüßt


Eine Gesellschaft, die auf diese Weise tatkräftige, in vielen Fällen wohlhabende und einflussreiche Verbündeten im Kampf gegen die in den Jahren 1877-1904 durch das Zarenreich vorgenommene Versuche der Entnationalisierung des Königreichs Polen, sowie der Abgetrennten Länder der polnisch-litauischen Krone (Wilna, Grodna, Brest-Litowsk, Kremenz, etc.) gewann. Bei den Polen gab damals die konservativ-liberale Strömung positiver Philosophie und organischer Arbeit den Ton an. Die positiv gesinnten, doch in ihrem Geiste frei gebliebene Bürger strebten schrittweise soziale Reformen an, erweiterten die polnische Alphabetisierung bei Arbeitern und Bauern, kämpften gegen Trunkenheit und Glücksspiele-Abhbängigkeit und zielten darauf ab, nationale Minderheiten freundschaftlicherweise zu assimilieren.


Nach 1881 es wurde klar, dass ein herzliches Einvernehmen zwischen den positiv gesinnten Bürgern, Polonisierern und Assimilationisten zustande kam


Dies war mit der Verschärfung der zaristischen Politik gegenüber der jüdischen Minderheit im russischen Reich verbunden. Juden gewannen zusätzliche Motivation, sich mit Polen zu verbrüdern; gegen dem Zarenreich. Die zaristichen Beamten sahen sich diesem herzlichen Einvernehmen jedoch größtenteils mit eher wohlwollendem Interesse zu. Erstens, weil die Positivisten und ihre Verbündeten für die Hebung des polnischen und jüdischen Volkes sowie das Aufbewahren der reinen evangelischen Glaube, ruhig arbeiten wollten ohne zu Aufständen oder sozialistischer Revolution zu greifen. Die intelligentesten russischen Polizisten und Beamten sträubten sich dagegen, den polenfeindlichen Anweisungen aus St. Petersburg Folge zu leisten.

Ihrer Meinung nach die Bevölkerung des russischen Teilungsgebiets der ehemaligen Königlichen Republik durch gemeinsame wirtschaftliche Vorteile dauerhaft an Russland gebunden sein sollte. Sie versuchten, die Ideen des Panslawismus (Einheit und Solidarität der slawischen Völker) und des Panrussismus (Mütterchen Russland hat viele Kinder und sollte sie gut behandeln, damit diese sich an es binden können) zu verbreiten. Aus ihrem Standpunkt ausgehend sollte das polnische Volk sein nationales Fortbestehen garantiert haben und gleichzeitig dank der Kenntnis der russischen Sprache sich stärken und reich machen.


Vor diesem komplizierten, paradoxen Hintergrund haben sich günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung der polnischen Presse, vor allem in Warschau und Lodz, in polnischer und deutscher Sprache herausgegeben, ergeben


Parallel dazu erschienen in diesen beiden Städten Zeitungen in russischer Sprache. Lassen Sie uns sie fürs Erste beiseite legen. Der tägliche, enorme Aufwand für die Einrichtung und Veröffentlichung der Tageszeitung wurde von dem Rechtsanwalt Henryk Elzenberg koordiniert. Er war der Sohn eines fortschrittlichen Rabbiners, der Gebetbücher in polnischer Sprache verfasste. Er heiratete eine Polin und trat zum Katholizismus über. Als Rechtsberater von Scheiblers Industriewerke überzeugte er deren Generaldirektor Edward Herbst, großzügige finanzielle Unterstützung bei dieser Arbeit zu leisten. Herbst war einer der am meisten bekannten Polonisierer. Neben der Druckerei des Tageblattes "Dziennik Łódzki" spendete er unter anderem einen der Altäre in der römischkatholischen Kirche der Aufrichtung des Heiligen Kreuzes.


So wurde in der ersten Ausgabe über die Aufgaben der neuen Zeitung berichtet


Aus der Hauptstadt an der Newa begrüße ich, dass der polnische Presseorgan im Brennpunkt unserer Fabrikindustrie auftaucht, im Brennpunkt, der üblich als nicht polnisch gilt. Nachdem Sie die Schwierigkeiten, die mit unseren Beziehungen verbunden sind, bekämpft haben, werden Sie wahrscheinlich die Aufgabe haben, die nationale Industriekultur in der Bevölkerung zu fördern, um zu beweisen, dass wir einerseits zum Wohle und Ruhm des Landes arbeiten können und andererseits auf dem Höhepunkt moderner wirtschaftlicher Prinzipien stehen. die Toleranz gegenüber allen verkünden, die durch ihre Intelligenz und Arbeit zum allgemeinen Wohl des Landes beitragen. Möge Gott euch segnen!“

Ein weiteres Paradox des russischen Teilungsgebiets Polens bestand daran, dass viele polnischen Untertanen der Zaren vorübergehend und sogar dauerhaft in St. Petersburg lebten. In der Hauptstadt des Zarenreiches fühlten sie sich ausgezeichnet, und diejenigen, die dort eine Frima hatten, machten glänzende Geschäfte. In der Stadt an der Newa gab es nicht den geringsten Groll gegen Ausländer. Sie konnten so viel Polnisch sprechen wie Sie wollten, solange man Gesprächspartner hatte, die diese Sprache sprachen, ohne die geringste Bestrafung oder Verurteilung zu befürchten. Es war die russische Presse, die in St. Petersburg erschien, die versuchte, die polnischen Untertanen des Zaren in ihrem Widerstand gegen Gesetze zu unterstützen, die das Recht zum Gebrauch einheimischer Sprache einschränkten.

Daher auch hatte keine polnische oder polnisch-deutsche Zeitung nicht das geringste Problem damit, dort Mitarbeiter zu finden, die bereit waren in der Regel gut verfasste Berichte aus der russischen Hauptstadt zu schreiben. Berichte, die aus praktischen Gründen notwendig waren, damit alle Interessierten die Veränderungen in Politik und Wirtschaft des riesigen Russlands mitverfolgen und wissen, was ein riesengroßer Absatzmarkt in Russland und China braucht, wie man den chinesischen Tee kauft und zur Weichsel günstig transportiert usw. usw. Dennoch in Bezug auf ihren eigenen Hinterhof äußerte sich die Leitung des Tageblatts mit aller Deutlichkeit.

„Lodscher Tageblatt wird herausgegeben für alle, die es lesen wollen, und wenn es unbedingt darum geht, für wen unsere Zeitung veröffentlicht wird, dann fügen wir hinzu, dass es neben den Einheimischen vor allem um die Bevölkerung geht, die nicht aus diesem Land entstammt, und trotzdem bereit ist oder zumindest daran interessiert sein soll sich mit dem Land zu verschmelzen. Wir haben sogar jeden Grund zu der Annahme, dass die einheimische Bevölkerung ausländischer Herkunft unsere Publikation nicht anders versteht, weil sie in diesen Kreisen mit voller Anerkennung aufgenommen wurde.“


Man lebte unter dem Druck der Vergeltungsmaßnahmen des Russischen Zarentums für den verlorenen polnischen Nationalaufstand aus den Jahren 1863-65


Die Verwendung der polnischen Sprache im öffentlichen Raum wurde fast ausschließlich auf Kirche, Bücher, Zeitungen sowie privaten Geschäftsverkehr gesetzlich begrenzt. Der kulturelle Nationalkampf gegen die Russifizierung musste äußerst vorsichtig geführt werden. In Büchern und Zeitschriften durften Begriffe wie: polnische Nation, Freiheit, Unabhängigkeit, polnisches Vaterland und sogar: unser Land nicht verwendet werden. Hat jemand daran vergessen da konnte es ein Jahr Zuchthaus (Zwangsarbeit in Fußschellen) und zehn Jahre Verbannung nach Asien kosten. Anderseits in derartigen Fällen musste nur ein Mann dafür vor Gericht gestellt werden, und der Mann war der verantwortliche Herausgeber. Der verantwortliche Herausgeber war ein Posten, in der sich die Leute oft wechselten, weil es schwierig war so etwas nervös zu ertragen.

Trotz vieler Hindernisse und Bedrohungen haben polnische Patrioten unermüdlich für ihr Land gearbeitet


Zwar wurde Elzenbergs „Dziennik Łódzki“ (Lodscher Tageblatt) am 31. Dezember 1892 eingestellt, doch bald erschienen in der Stadt an dem Fluss Lodka andere auf Polnisch gedruckte Zeitungen. Die Journalisten der eindeutig polenfreundlichen "Neuen Lodzer Zeitung" haben ihre Arbeit tapfer unterstützt. Während dieses schweren Zeitalters in der polnischen Geschichte die Journalisten haben sich als ein Element der Ordnung, der Arbeit, des Aufbaus gezeigt, und polnische sowie polendeutsche Journalisten waren auf dem russischen TeilungsgebIet weithin respektiert. Diese Journalisten schrieben nur die Wahrheit und billigten die Unterdrückung oder Ausbeutung von Menschen durch Menschen nicht.


Wenn sie nicht die ganze Wahrheit schrieben, da wussten die Leute, dass dies an der Androhung schwerer Strafen lag: Zuchthaus und Dichtmachung von Zeitungen


Ein durchschnittlicher Journalist galt als ein überdurschnittlich ehrlicher Mann, dem zum Beispiel Geld anvertraut werden kann, um Bedürftigen zu helfen. Der Öffentlichkeit war bekannt, dass Journalisten unter schwierigen Bedingungen um Fortschritt und Entwicklung kämpften, und man eilte ihnen mit aller nur erdenklichen Hilfe.


Die Jahre 1884-1918 waren für unabhängige Journalisten des russischen Teilungsgebiets die ruhmreichen Tage gewesen

… und die „Auferstehung des Vaterlandes“ (wie die Wiederherstellung der Unabhängigkeit nach der drei Generationen langen Teilung des ganzen Landes genannt wurde) war in hohem Maße das Ergebnis ihres Fleißes. Genauso wie der Aufstieg der Freiwilligenarmee und die Rettung vor einer schrecklichen Niederlage im Jahr 1920. Erinnern wir uns an unsere tapferen und unbeugsamen Vorfahren, die Arbeitstitanen, echte Europäer! Was sie unter nicht einmal sehr schweren Bedingungen geleistet haben macht uns stolz und ist ein Wegweiser für unsere Zeit.



Zum Schluss noch einmal ein Blick auf Haus Petersilge, das Werk der polnischen Architekten, Vertreter des Jugendstils; Chelminski und Sokolowski. Übrigens ist das Haus des hervorragenden Architekten Sokolowski in der Dzika-Straße (die Wilde Straße, ulica Dzika; dort lebten einst und starben jung die Baluter Revolverhelden) erhalten geblieben, obwohl es umgebaut wurde. Ich werde wahrscheinlich ein anderes Mal darauf zurückkommen. Das Mietshaus Nr. 86 an der Petrykauer Straße (ulica Piotrkowska) ist leider ein der wenigen Beispiele für die alten Baudenkmäler in Lodsch, die in ihrem früheren Glanz restauriert wurden, obwohl es dort nicht alles gut läuft ...

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