Tuesday, July 2, 2019

Die Armut und Hoffnungslosigkeit unter dem Sanatoren-Regime: Polesien





Vor dem Hintergrund der unzähligen kleinen Holzbauten, die für die vernachlässigten Zustände von damals markant waren, galten derartige Mietshaüser in Polen in der Zwischenkriegszeit als Paläste,






Ich beabsichtige keineswegs den Verbrechern die Weste weiß zu waschen. Zweifelsohne, der Stalinismus war nicht gut. Das stalinistische Regime war aber nicht so gefährlich wie der Hitlers Generalplan Oberost; sollte der durchgeführt werden, da wäre die polnische Sprache am Weichsel für immer geschwiegen. Anderseits, Polen aus dem Zeitraum 1926-39 als Vorbild zu erklären ist ein verlogenes Drehen.
(Vortrag von Wasilewska, „Volkszeitung”, 3 X 1938, s. 2)




Am 2. Oktober 1938 hielt die bekannte Publizistin Wanda Wasilewska im Saal der Lodscher Philharmonie, einen Vortrag über die Frage: Polesien – ein soziales Problem


D. h. in einem Gebäude, das bis heute nicht erhalten wurde. Es lohnte sich mehr ihn seinem Schicksal zu überlassen und dann wurde er abgerissen,,, In ihrer Vorlesung schilderte die Rednerin aus eigener Anschauung die sozialen und wirtschaftlichen Bestände, die in diesem Landesgebiet herrschten und wies besonders auf die unbeschreibliche Armut der Einheimischen hin; den Mangel an Grundschulen, Verkehrsmitteln, Ackerland und Viehfutter hin. Der Vortragenden wurde für ihre Darstellungen, die darauf beruhten, was sie mit eigenen Augen sah, ein stürmischer Beifall gezollt.
(Vortrag von Wasilewska, „Volkszeitung”, 3. Oktober 1938, S. 2)


Das Streifen Tiefland zwischen den Flussgebieten des Bug und Prypjat, einst auf Deutsch auch Rokitnosümpfe genannt, stand in der Zwischenkriegszeit, zusammen mit den Dörfern des ehemaligen Galiziens, symbolisch für die Unfähigkeit des polnischen Staates und des polnischen Volkes bei der Bekämpfung der Armut und Elend sowie Linderung der vollständig vernachlässigten Zustände.




Man sprach mit Entsetzen darüber, dass die dortigen Einwohner Bastschuhen tragen, weil sie sich kaum was besseres leisten können


Auch die Nachricht, dass dort eine Anzahl an deutschstämmiger Bevölkerung ein beschwerliches Dasein friste, und der damit hervorgerufene Gesamtausdruck für die polnische Regierung eindeutig ungünstig waren. Trotzdem konnten die Rokitno-Deutschen, die meistens Holzhauer und Holzbauer waren, vor dem Hintergrund der anderen dort ansässigen Volksgruppen irgendwie auskommen. Nur selten waren sie wohlhabend, doch auch nicht die armen Schlucker.


Die Bastschuhen waren kaum der einzige Beweis für die Denkarmut und Unfähigkeit des Sanatoren-Regimes in dem Teil des Landes. In dieser weit ausgedehnten, waldreichen Flussniederung waren seit eh und je das Holz sowie die Vielfalt an Fischegattungen die zwei Hauptreichtümer. Die Prypjatsümpfe, sind mit etwa 90.000 km² Fläche das größte Sumpfgebiet Europas. Jetzt, unter der weißrussischen Herrschaft liefert die Binnenfischerei mit dem Stör den weltweit begehrten russischen Kaviar.




In der Zwischenkriegszeit haben es die Behörden der Woiwodschaft Polesien nicht verstanden, in planvoller Wirtschaft das riesige Fischreichtum des Landes zu nützen


oder einen Plan zu schmieden, um die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Privatunternehmen, beziehungsweise Genossenschaften zu schaffen, damit diese sich damit beschäftigen können. Stattdessen haben die Beamten der Diktatur durch und durch bewiesen, dass sie im Trüben fischen können. In den 1930er Jahren wollte das Sanatoren-Regime einen großen Teil der Pripjetsümpfe trockenlegen lassen, scheiterte aber an mangelnden Geldmitteln und tobende im Lande Korruption.



Derartige Zustände bildeten keine Ausnahme in der Zweiten Republik Polen


Es stellt sich die Frage, ob es eine gute Idee ist ausgerechnet diesen Zeitalter in der polnischen Geschichte zum Vorbild für die Jugendlichen zu erklären. Es sei denn, jemand wurde darauf aufmerksam, dass der polnische Staat, der am wenigsten dem polnischen Volk dient, hier in Vollendung zu sehen ist.




Noch ein Wort über Wanda Wasilewska


Nach der Wende sie wurde in Polen als eine Verräterin gebrandmarkt. Es wird besonders hervorgehoben, dass sie sich selbst eines Tages, nach dem Auswandern nach Sowjetunion als „ehemalige Polin“ usw. bezeichnet hatte. Meiner bescheidenen Meinung nach das ist nicht ganz richtig. Zum Ersten ihre Beurteilung der Zweiten Republik Polen als eines schwachen Staates, der ohne eine glaubwürdige Allianz mit einer Großmacht in seiner geographischen Nähe zum Scheitern verurteilt ist, hat sich als zutreffend erwiesen.


Zum Zweiten, sie hat eine positive Rolle in der polnischen Geschichte gespielt, indem sie sich in die Aufstellung der von Sowjetunion abhängigen polnischen Streitkräfte entscheidend engagierte. Die andere polnische Armee, die in Nordafrika sowie Westeuropa kämpfte und durch die Exilregierung in London geführt wurde, konnte 1944 nicht nach Polen aufmarschieren – dies hat sie auch vorausgesehen. Das Polnische Heer an dem Ostfront, mit General Berling an der Spitze, hat dies geleistet und im Ergebnis wurde die Wiederherstellung des polnischen Staates möglich.


Die Volksrepublik Polen, von welcher sie bereits 1938 träumte, konnte die Potenziale des polnischen Staates erheben. Die VR Polen, obgleich man sie keineswegs als fehlerfrei bezeichnen darf, hat sehr viel geleistet und das polnische Volk, seine Kultur und Volkswirtschaft noch einmal zum Aufblühen gebracht. In diesem Sinne war Wasilewska eine Politikerin, die das Ausmaß der riesenhaften Niederlage Polens, die im September 1939 erlitten wurde, wesentlich begrenzen konnte.




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