Sunday, April 12, 2020

Ein Buch wie eine Kugel oder erbärmliche Karriere von einem Hitlers Helfer





Hitler verlässt die Welt, um in der Hölle zu schmoren. Es ist gut so, aber es wäre besser auch genau zu wissen, wie dazu gekommen ist. Ich füge hinzu, dass die Erinnerungen von Kurt Lüdecke im Nürnberger Prozess als Beweis für die Anklage verwendet werden sollten. Er selbst sollte auch aussagen, die US-amerikanischen Staatsanwälte erkannten aber, dass das puritanische Amerika von damals vor Empörung zittern würde, wenn bestimmte Umstände zutage treten würden, doch nicht in die richtige Richtung. (flickr.com)




Dezember 1937. In New York wurde eine zumindest scheinbar hochinteressante Geschichte von Kurt Lüdecke, einem deutschen Weltenbummler, Abenteurer, Geldbeschaffer und ehemaligem Anhänger der NSDAP, veröffentlicht. Das Buch mit dem faszinierenden Titel: I Knew Hitler. The Story of a Nazi Who Escaped the Blood-Purge (auf Deutsch: Ich habe Hitler kennengelernt. Die Geschichte eines Nazis, der der blutigen Säuberungsaktion entkommen ist), wurde von dem Verlag Charles Scribner's Sons intensiv beworben.


Der Verfasser wurde als eingeschriebenes Mitglied der Hitler-Partei und viele entscheidende Jahre lang enger Freund von Hitler selbst dargestellt. 1933, hieß es, er habe den Unmut des neuen Kanzlers auf sich ziehen lassen. In der Folge wurde er eingesperrt, konnte aber acht Monate später aus dem Konzentrationslager Oranienburg fliehen. Seitdem lebt in den VSA, hofft auf das politische Asyl dort, fügte der Verlag hinzu.




Eine bösartige Persönlichkeit


Der zukünftige Helfer Hitlers wurde in einer wohlhabenden Berliner Familie erzogen. Er war der jüngste von drei Söhnen eines Fabrikdirektors. 1890 geboren wollte er als Schuljunge zu seiner Ausbildung keineswegs Hand anlegen. In seinem Alter spürte er den starken Einfluß des Zaitalters auf sich, das in Westeuropa, und insbesondere im Deutschen Reich, durch die Rückkehr zum Heidentum, die Gnosis und den Zusammenbruch der christlichen Werteordnung im Alltag gekennzeichnet wurde.


Offensichtlich er war als Jugendlicher mehr an seiner eigenen Frühreife im sexuellen und intellektuellen Gebiet und davon sich für ihn ergebenden sofortigen Nutzen interessiert, als an dem Lernen in der Schule. Nur schwer hat er, als ein 17-jähriger, die Grundschule beendet. Der beunruhigte Vater hat den schwulen Sohn demnächst nach Kaiserliche Wehrmacht geschickt.


Im Zeitraum nach dem Abschluß seines Militärdienstes, 1909-1914 bereiste er Westeuropa und weilte in der Regel in Frankreich. In seinen Erinnerungen behauptet er, dass er dort 1910 durch Glücksspiele zu so viel Geld gekommen sei, dass er fortan im Stande war, ohne jede Arbeit nur für sein Vergnügen zu leben. Sein Dossier bei der Staatsanwaltschaft in Berlin ist aber ein Beweis dafür, dass sein früher Wohlstand andere Gründe hatte.


Der Fabrikantensohn wurde demzufolge zu einem homosexuellen Prostituierten, der sich wohlhabende Amateure einiger damals streng verbotenen Vergnügen aufsuchte, um diese dann zu erpressen. Dafür stand Zuchthaus und Schwerstarbeit damals. Dies bedeutete, praktisch genommen, Todesurteil für die kultivierten Männer aus den sogenannten vornehmen Kreisen, die nie schwer arbeiten mussten. Deswegen es war nicht schwer gewesen diese Kunden zu freigiebigen Zahlungen zu nötigen, wenn man ihnen (aus dem Ausland, um selbst nicht bestraft werden) mit einer Anzeige drohte. Dies galt insbesondere für Frankreich, wo bereits damals die sog. sexuellen Minderheiten kaum verfolgt waren.




Trotzdem waren etliche einflußreiche Männer in diesem Ganymed verknallt, und dies ermöglichte ihm einen steilen Aufstieg in der Welt der großen Politik und bei der Hochfinanz


Die Tatsache, dass er als Gigolo ohne materielle Sorgen leben konnte bedeutete nicht, dass er für sein deutsches Vaterland, erniedrigt und in die Ruine getrieben nach dem Ersten Weltkrieg, nicht viel übrig hatte. Man muß ausgesprochen dumm oder verlogen sein, um nicht zu bemerken, dass auch bei den sogenannten sexuellen Minderheiten Patrioten und sogar Nationalisten gibt. Dazu kam noch etwas: Ein Ausmaß an der Judenfeindlichkeit war einst für fast alle Familien der Industriellen bezeichnend. Die Juden waren schließlich erfolgreiche und unangenehme Mitbewerber im Bereich der Industrie und des Handels.


So hatte Lüdecke keine Hemmungen daran, zum Angestellten des in New York City angesiedelten privaten Geheimdienstes des Industriellen Henry Ford werden. Der Geheimdienst bekam von seinem Chef, dem genialen Großindustriellen und Lebensreformer, die Aufgabe die einflussreichen US-amerikanischen Juden, samt ihren zahlreichen Familien, zu ausspionieren, damit sie dann, falls diese Ford zu sehr ärgern, als Unternehmer fertig machen oder zu schwächen. Henry Ford war weder ein Homosexueller noch Homosexuellen-Freund, wusste aber dass der Lüdecke viele ihm als Helfer dabei geeignete gute Bekannte in Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien und Frankreich hat.




So konnte Kurt L. in der Eigenschaft als Geheimagent viel erreichen, da die sog. Judenkunde in Westeuropa blühte damals auf


Dafür es gibt viele, heutzutage schon sehr wenig bekannte Beispiele. Dies ausnutzten die Hakenkreuzler nach der Machtübernahme und haben ganze Reihe an Büchern herausgegeben, die schädliche Rolle des Judentums in Europa und Amerika beweisen sollten. Wenn man etwas davon liest, da wird man durch die riesige Menge an verschiedenartigsten Einzelheiten, die auch insgeheim erobert und versammelt werden mussten, erstaunt. Ganze Hunderte Leute arbeiteten daran.




In dieser Eigenschaft wurde er auch für Hitler und seine Bewegung nützlich


Nachdem er Hitler bei einer Massendemonstration am Münchner Königsplatz (1922) sprechen hörte, hatte er den zukünftigen Reichskanzler und Führer als seinen persönlichen Helden anerkannt, und wie viele Jahre später schrieb: „Sein Aufruf an die deutsche Männlichkeit war wie ein Ruf zu den Waffen, das Evangelium, das er predigte, eine heilige Wahrheit.“ Am nächsten Tag sprach er (wirklich oder angeblich?) vier Stunden lang mit Hitler und bot sich diesem und der Nazi-Sache an „ohne Vorbehalt […] Ich hatte ihm meine Seele gegeben.“
(Nach der englischsprachigen Wikipedia, das Stichwort: Kurt Lüdecke)




Einige Jahre lang war der schlaue Mann als Anhänger der Hakenkreuzler und Hitlers persönlicher Vermittler tätig


Die Bedeutung seiner Dienste für die Sache der Hakenkreuzler hat er in seinem im Exil veröffentlichten Buch ganz sicher übertrieben. Es ist sonnenklar, dass der entscheidende Teil der materiellen Unterstützung der NS-Bewegung floß auch durch andere Vermittler ein. Wohl die einzige nachprüfbare historische Tatsache scheint erfolgreiche Vermittlung bei Mussolini zu sein. Im Ergebnis erlaubte der faschistische Diktator Italiens den Journalisten seine Landes mit dem damals noch international wenig bekannten Fanatiker aus Deutschland in einem Interview für das italienische und internationale Publikum mehr verständlich zu machen. Anders als heute war damals Italienisch eine breit bekannte internationale Sprache gewesen.


Bis 1933 war Hitler mit dem für ihn nützlichen Abenteurer und Geldbeschaffer einigermaßen befreundet oder die beiden waren einfach gute Bekannten. Dies endete letztendlich mit der Ungnade seitens des frisch gebackenen Diktators als der ehemalige Gigolo, dessen bisherige Einkommensquellen allmählich eintrockneten, sich mit weitgehenden finanziellen Forderungen an Hitler wandte. Man muss sich daran erinnern, dass während der ersten zwei Jahren seiner Regierung der „schöne Adi“ musste vor allem die riesige Arbeitslosigkeit bekämpfen und konnte sich derartige Dankbarkeit ganz einfach nicht leisten. Dafür musste aber auch der „Führer“ seinen Preis bezahlen.




Diese angeblich glaubwürdigen Erinnerungen des ehemaligen Nazi-Vermittlers waren nur die ersten aus ganzer Reihe der Bücher und Filme...


Nämlich sie sollten die braune deutsche Staatsführung bei der US-amerikanischen Öffentlichkeit schlimmer als lächerlich vorstellen. Das 833 Seiten starke Buch enthielt Behauptungen über das Privatleben der NSDAP-Anführer, die man mit dem Schreibstil der Historiker der senatorisch-republikanischen Oberschicht im Bezug auf die ersten römischen Kaiser vergleichen kann. Um sich kurz zu fassen, er schrieb seinen ehemaligen Freunden verschiedenartigste schändliche Absonderlichkeiten sowie unersättliche Blutrünstigkeit zu. Dies spielte die Hauptrolle dabei, dass die sog. Neuordnung in Europa jenseits des Atlantiks in stereotype dunkle Denkmuster verfiel.


Im nächsten Aufsatz hoffe ich zu zeigen, wie weit derartige Denkmuster, jedenfalls bevor November 1938, durch weitere Fälschung der Lage in der Welt von damals entstehen mussten.




Wie armselig!


Lüdecke verspottete Juden, aber der amerikanische Cäsar Franklin Delano Roosevelt vergötterte sie. Infolgedessen konnte der Schöpfer der ersten Propaganda-Rakete, die aus den USA gegen Deutschland abgefeuert wurde, nicht nur keine US-amerikanische Staatsbürgerschaft, sondern auch kein Asyl oder ständigen Wohnsitz erhalten. Stattdessen landete er hinter Gittern und dann in einem Internierungsslager. Nach dem Krieg wurde er nach Westdeutschland deportiert, wo er 1960 sein sterbliches Leben beendet hat.






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