Tuesday, April 30, 2019

Das Badehaus in Tomaschow: Da liegt der Hase im Pfeffer (Aus der Geschichte Mittelpolens)






Immer öfter weicht der Altbau den Gewinn bringenden Bauvorhaben. In der Re-gel wird er, nach der entsprechenden Entscheidung der öffentlichen Hand oder eines Privatinhabers, umgehend abgerissen und durch die luxuriösen Neubauten ersetzt. Das Bild von Wilkie Drawking.




Ende März wurde das ehemalige jüdische Badehaus in Tomaschow (Tomaszów Mazowiecki) abgerissen. Es befand sich in der Grünberg-Straße (ulica Tkacka) und war eines der ältesten Gebäude der Stadt. Graf Antoni Ostrowski - der Gründer von Tomaschow, schenkte dem jüdischen Kehilla 1829 ein Entwicklungsgebiet, in dem unter anderem dieses Badehaus bald errichtet wurde.


In der frühen 19. Jahrhundert hat ein Landarbeiter Eisenerz in der Umgebung der späteren Stadt Tomaschow gefunden. Die ersten Industriewerke sowie drei kleinere Städte wurden demnächst durch den Grafen Tomasz Ostrowski gegründet.




Das Gelände des heutigen Mittelpolens war damals von gewaltigen Wäldern bedeckt


die sich zwischen den Flüssen Weichsel und Pilica hinzogen, in denen zahlreich Wildsau und Großwild lebte. Dies sollte sich aber ziemlich schnell ändern. Ein paar polnischen Hochadligen und die Regierung von Kongreßpolen haben ganz neue Wege gefunden, um das arme Rumpfpolen reich zu machen. Ihre Ideen waren visionär.


Der Zeitpunkt für solches Unternehmen war günstig: die Zollgrenze zwischen Kongreß-Polen und Russland wurde aufgehoben, was zur Folge hatte, daß alle polnischen Waren nach Russland und dem Fernen Osten zollfrei ausgeführt werden konnten. Polen sollte nun nicht nur durch gemeinsamen Herrscher mit Russland vereint werden.




Der polnische Staat wurde durch hohe Schutzzölle gegen die riesige Überlegenheit Westeuropas auf dem Gebiet der Industrie verteidigt


Und die Idee der polnischen Hochadligen war einfach und genial: die damals in Preußen und Sachsen wütende Arbeitslosigkeit zu nutzen, um neue Industrie zu gründen. So wurden für den Grafen Antoni Ostrowski Tuchmacher in Niederschlesien und in Lausitz angeheuert. Die polnische Regierung eilte (wie sie das in Lodsch gemacht hat) mit Hilfe, indem sie die Siedler mit allem Lebensnotwendigen bescherte.


Der neue Grundherr, der Graf Tomasz Ostrowski, war ein sehr kluger und großzügiger Mann. Mehr als ein hundert Jahre später erinnerten sich daran die Nachkommen der ersten Siedler. "Im Stadtarchiv befindet sich ein 'Ausweis der Zusicherungen und Stiftungen, die der Grundherr von Tomaschow, Graf Anton Ostrowski, den Ansiedlern von Tomaschow verbürgt hat '. Dieser Ausweis enthält 482 Positionen. Mancher Tomaschower Bürger kann sich heute noch davon überzeugen, welche Zuwendungen seinen Vorfahren vom Grafen gemacht wurden."
(Festschrift zur Erinnerung an das 100-jährige Jubiläum der 7-klässigen öffentlichen Rey-Volksschule Nr. 5 zu Tomaschow-Mazowiecki, bearbeitet von Rudolf Lembke, Tomaschow-Mazowiecki 1935, S. 10, 12 nach Polona-Digitalbibliothek)




Insbesondere hatte der edle Hochadlige das religiöse Leben seiner lieben Gäste unterstützt


Er hat für die Evangelischen und für die Juden Stiftungen gegründet, im Rahmen von denen die beiden Gemeinschaften Grundstücke für ihre Tempel und andere Einrichtungen bekamen. Die Katholiken konnten dabei auf die Unterstützung ihrer damals noch sehr reichen Kirche zählen, trotzdem hat er auch sie mit mehreren Schenkungen für die gemeinschaftliche Ziele und Zwecke, auch die Not leidenden Familien, unterstützt.




So hat er 1829 den Gläubigen der jüdischen Gemeinde den Grundstück für den Bau der ritualen Badenanstalt geschenkt

Sie benutzten den Anstalt mehr als ein hundert Jahre lang. 1939 wurde er ihnen, nach dem reichsdeutschen Überfall auf Polen, weggenommen. Ein paar Jahre später wurden die jüdischen Einwohner von Tomaschow durch Hakenkreuzler ermordet.


Der jüdische Badeanstalt befand sich, erstaunlicherweise, auf der selben Straße wie die wichtigsten Einrichtungen der evangelischen Gläubigen von Tomaschow. Nämlich : ihre erste Kirche, der Pfarrerhaus und die evangelisch-lutherische Volksschule (für die jüngsten Kinder bestimmt).




Die Straße wurde zuerst (in den 1820ern) Grünberg-Straße genannt


weil sie durch die Ansiedler aus dem Kreis Grünberg (Niederschlesien), die bauten sich meistens geschlossen an dieser einen Straße an, um ihre Identität und Zusammenhalt aufzubewahren, gebaut worden war. Dies bedeutete keinen Chauvinismus; die Juden waren dort geduldet, die polnische Kultur übte ihre Anziehungskraft. In der frühen 20. Jahrhundert war diese deutschstämmige Gemeinschaft weitgehend polonisiert worden. Man kämpfte auf dieser Straße, die Tkacka genannt wurde, um die polnische Sprache in der Schule. Die wurde dort 1919 als Unterrichtssprache, auf Anregung der patriotischen evangelischen Geistlichkeit, eingeführt.




Der Tempel wurde in den Jahren 1823-1829 im neoklassizistischen Stil erbaut




Etwa 1830, op. cit..


Auch das Presbyterium und das Gebäude der Volksschule (die Gemeinde zu Sankt Trinitatis) sind bis heute, am Kosciuszko-Platz, des Nationalhelden von Polen, Weißrussland und den Vereinigten Staaten von Amerika erhalten geblieben.




Die Tomaschower Männer und Frauen der jüdischen Glaube waren in verschiedenen Lebensbereichen sehr aktiv gewesen


Sie haben unter anderem ihr Beitrag zum Aufblühen der Kunst und Kultur in Mittelpolen in dem späten 19. Jahrhundert sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geleistet. Dabei ist insbesondere der Musik- und Gesangverein Hasomir nennenswert, der in Tomaschow gegründet wurde.




Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das ehemalige Gebäude der jüdischen Gemeinde durch die Kommunisten verstaatlicht


... und kurzerhand zu einem für die ganze Bevölkerung der Stadt zugänglichen Badeanstalt verwandelt. Infolge der umfangreichen Zerstörung der Wohngebäude während des Krieges sowie des erhöhten Kulturniveau des polnischen Volkes war der Anstalt bei der Stadtbevölkerung sehr beliebt gewesen. Dies änderte sich erst in den 1960ern und 1970ern, als die modernen Plattenbausiedlungen die schlimmsten sanitären und hygienischen Probleme gelöst haben. 1989 wurde der Badeanstalt geschlossen und in demselben Gebäude man hat mehrere Fleischladen eröffnet.






Nicht einmal ist das neue Wohngebäude in der der ruhigen, sicheren und stillen Landschaft von Wohnplattenbauten aus der Zeit der Volksrepublik Polen zu fin-den. Das Bild von Wilkie Drawking.




Im 21. Jahrhundert man hat das Gebäude sich selbst überlassen


So lange als es schließlich bruchreif wurde. Es ist vorauszusehen, dass ein dadurch gewonennes Baugelände durch die Stadtverwaltung sehr vorteilhaft an ein westeuropäisches oder nordamerikanisches Bauunternehmen verkauft wird.




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